Der Kihap
Erinnern Sie sich noch an Ihre ersten Taekwondo-Einheiten? Damals war er vielleicht ungewohnt für Sie und ist Ihnen sogar ein bisschen schwer gefallen: Der Kihap. Heute hingegen denken Sie vermutlich gar nicht mehr darüber nach. Der Kampfschrei gehört einfach zum Taekwondo, wie der Dobok und die Verbeugung. Wir haben uns die wenig beachtete „Grundtechnik“ des Taekwondo ein wenig genauer angeschaut.
Kihap – was heißt das eigentlich?
Klar, Kihap, das ist der Kampfschrei. Wörtlich übersetzt besteht der Begriff aber aus den chinesischen Silben „Ki“ –„Atem“, „Geist“ oder „Energie“ – und „Hap“ –„konzentrieren“ oder „vereinigen“ . Der Begriff „Kihap“ bedeutet also „Konzentration der Energie“. Interessant: Dreht man die Silben um, erhält man den Begriff „Hapki“ – wie in Hapkido. Im japanischen heißt der Kampfschrei Kiai – umgedreht kommt „Aiki“ heraus – wie Aikido. Schon der Name legt also nahe, dass der Kihap kein gewöhnlicher Schrei ist, sondern eine tiefere Bedeutung und Funktion hat.
Wie macht man den Kihap?
Schreien kann erst einmal jeder. Trotzdem kann man beim Kampfschrei auch Fehler machen. Gerade Anfänger sind oft bestrebt, einem möglichst unauffälligen Kihap zu machen und schreien nur aus dem Hals heraus. Das ist allerdings nicht der Sinn der Sache: Damit der Kihap wirkt, muss er – wie die richtige Atmung – aus dem Bauch heraus kommen. Mit der Zeit entwickelt jeder Sportler seinen persönlichen Kihap, die einen machen nur einen einfachen a- oder ae-Laut, die andere modulieren dabei mit andern Silben. Auf keinen Fall sollte man aber Kihap, Hap oder andere Silben rufen, die auf einen Konsonanten enden – den Konsonanten stoppen den Atemfluss und das ist nicht hilfreich.
Warum macht man den Kihap?
Wenn der Kihap seinen Namen – Konzentration der Energie – zurecht trägt, müsste er uns eigentlich helfen, unsere Techniken energievoller und kräftiger auszuführen. Aber ist das tatsächlich so? Im normalen Training haben wir erst einmal keine Möglichkeit, das zu überprüfen. Aber drei brasilianische Sportwissenschaftler wollten es genau wissen. 2013 führten sie eine Studie zum Kihap durch. Dafür suchten sie sich zunächst Versuchspersonen, die bestimmte Kriterien erfüllten: Sie mussten mindestens den 1. Dan haben, mindestens die letzten zwölf Monate trainiert haben, einen guten Dollio-Chagi kicken können und mindestens sechs Monate verletzungsfrei gewesen sein. Am Ende fanden sie 13 Probanden, die alle Voraussetzungen erfüllten und sich zu dem Test bereit erklärten. Der bestand darin, dass jeder Teilneher 30 Dollio-Chagis auf einen Sandsack kickte, und zwar wahllos mit und ohne Kihap. Die Kickgeschwindigkeit im Moment des Auftreffens wurde gemessen. Und siehe da: Die Kicks mit Kihap waren etwa 10 Prozent schneller, als die ohne. Wer also bisher immer das Gefühl hatte, dass es sich mit Kampfschrei besser kickt, kann sich durch die Studie bestätigt sehen. Dafür sprechen übrigens auch verschiedene Studien zu „westlichen“ Sportarten wie Gewichtheben oder Tennis, die zu dem Schluss kommen: Schreien hilft, um bessere Leistung zu bringen.
Gut für die Psyche…
Neben den messbaren Auswirkungen gibt es eine Reihe von mentalen Faktoren, die für den Kihap sprechen. Denn lautes Schreien hat einen psychologischen Effekt – auf sich und andere. Schreien befreit und stärkt das Selbstbewusstsein. Gemeinsames Schreien verbessert die Disziplin und den Zusammenhalt in der Gruppe. Gleichzeitig schüchtert es den Gegner ein. Im Grunde ist der Kihap so auch eine Art psychologischer Kriegsführung – durchaus verwandt dem westlichen Schlachtruf. Auch der war in alten Zeiten dafür da, den Kampf- und Korpsgeist zu stärken und den Gegner zu verunsichern. Viele Trainer machen sich das heute auf ganz friedliche Weise zunutze – wenn sie merken, dass ihre Schäflein müde und unaufmerksam werden, rufen sie zu kräftigen Kihaps auf. Gerade bei Kindern wirkt das Wunder.
Quelle: www.taekwondo-aktuell.de